Über: Roland Barthes – Die helle Kammer

Der Philosoph, Kultur- und Literaturtheoretiker Roland Barthes gehört zu den originellsten französischen Denkern der Nachkriegszeit. Er gilt als Mitbegründer der Semiotik, der Wissenschaft vom Wesen und Gebrauch der Zeichen und trug wesentlich zum Verständnis von Theorien über die Herstellung von Wahrheit, der Funktionsweise und Strukturierung von Bedeutung und Sinn der Sprache in Text und Diskurs bei.

In seinen Werken vermischt er verschiedene Methoden wie Dekonstruktion, Marxismus, Psychoanalyse, Strukturalismus und Wissensgebiete der Philosophie, Soziologie oder Linguistik um gesellschaftliche und kulturelle Phänomene wie Film, Fotografie, Literatur, Mode, Werbung oder die Liebe zu untersuchen. Diese Vielfalt äußert sich unter anderem in seinem unorthodoxen Schreibstil, oftmals mehr Gedankenstrom als Wissenschaft.

1953 erscheint sein erstes Buch Am Nullpunkt der Literatur, 1957 das kultursemiotische Werk Mythen des Alltags. Weitere bekannte Werke sind Die Sprache der Mode (1967), Im Reich der Zeichen (1970) und das kommerziell erfolgreichste Buch; Fragmente einer Sprache der Liebe (1977).

Sein letztes Buch „Die helle Kammer. Bemerkungen zur Photographie“ erschien 1980 und steht im Zusammenhang mit dem Tod seiner Mutter, mit der er zeitlebens zusammen lebte. In diesem essayistischen Werk versucht Barthes das Wesen der Fotografie zu erkennen und eine Phänomenologie zu entwickeln. Hierbei stellt er verschiedene Thesen zur Bildwerdung und Wirkung auf, wobei er sich zwischen systematischen Beobachtungen und sehr intimen Gedanken bewegt, angetrieben vom ontologischen Wunsch zu verstehen, was die Fotografie „an sich“ ist und was sie von der anderen „Gemeinschaft der Bilder“ abgrenzt.

Er vergleicht den Vorgang des "Photographiert Werdens" mit dem Tod, diskutiert den Unterschied zur realistischen Malerei, fragt nach dem Besitzer einer Fotographie und wiederholt nach ihrem neuen „eigentümlichen Charakter“.

Als photographisches Paradox bezeichnet er die Wirklichkeitsbehauptung des Dargestellten. Die unmittelbare Präsenz des Referenten, des fotografierten Objekts, ohne Code mache das Foto „weder Bild noch Wirklichkeit“.

Zentrale Begriffe des Essays sind das von Barthes eingeführte studium und punctum, die zwei unterschiedliche Wirkungen der Fotografie beschreiben. Studium sei das Interesse an einem Foto aufgrund der Bildung und kulturellen Prägung des Betrachters. Das Punctum hingegen sei der persönliche Zugang zur einzelnen Fotographie über ein zufälliges Detail, die sinnliche Wirkung auf den Betrachter. „Das punctum einer Photographie, das ist jenes Zufällige an ihr, das mich besticht (mich aber auch verwundet, trifft).“ An dieser Stelle wird Barthes sehr intim. So fasziniert ihn besonders ein Bild seiner verstorbenen Mutter, das im Buch nicht abgedruckt ist. „Es existiert ausschließlich für mich (...),“ damit stellt Barthes die Subjektivität in seiner Analyse weiter heraus, wobei er auch die Beziehung des Mediums Fotografie mit dem Tod weiter ausführt.