Über: Nina Wiedemeyer – original bauhaus

2019 markiert das 100. Gründungsjubiläum des Bauhauses. Zu diesem Anlass erforscht
das Bauhaus Archiv / Museum für Gestaltung in einer Ausstellung der Berlinischen Galerie
die Geschichten hinter rund 700 Arbeiten. Unter dem Titel „original bauhaus“ werden 
neue Perspektiven der vielseitigen, materiellen und immateriellen Kultur dieser Gestaltungsschule verhandelt – darunter Ikonen des Bauhaus-Archivs, internationale Leihgaben sowie Objekte,
die erstmals öffentlich zu sehen sind. Der gleichnamige, von Nina Wiedemeyer (Kuratorin
der Ausstellung) publizierte Ausstellungskatalog dient als begleitende Lektüre zur Jubiläumsausstellung.

Während andere Publikationen wie „Bauhaus“ von Magdalena Droste das Phänomen Bauhaus in chronologischen Erzählungen untersuchen, nähern sich in „original bauhaus“ zwölf zeitgenössische und international arbeitende Künstler:innen an 14 exemplarische Werke und Werkgruppen an. Dabei werden unterschiedliche Grundgedanken zu künstlerischer Haltung und Produktion diskutiert. Diese Objekte stehen stellvertretend für die 14 Jahre zwischen April 1919 und Juli 1933, in denen die Schule als zunächst staatlich geförderte und zuletzt als privat geleitete Institution bestand. Unter ihnen befinden sich neben vielen Arbeiten aus den Vorkursen auch sogenannte Bauhaus-Klassiker wie das „Triadische Ballett“ von Oskar Schlemmer, die Fotografie von Erich Consemüller mit der berühmten Unbekannten im Stahlrohrsessel von Marcel Breuer oder ein verschollener Teppich von Gertrud Arndt. Darauf aufbauend erschließt sich das Buch den Lesenden innerhalb drei unterschiedlicher Kapitel: „Ikone werden“, „Geschichte schreiben“ und „Schule machen“.

Das erste Kapitel zeigt auf, wie Unikat und Serie, Remake und Original in der Geschichte des Bauhauses unzertrennlich miteinander verbunden sind. Daran schließt das zweite Kapitel an mit der Frage, wie das Bauhaus berühmt wurde. Einen besonderen Schwerpunkt legt Nina Wiedemeyer auf die im dritten Kapitel thematisierte Bauhaus-Didaktik, deren Anfang der Vorkurs bildete. Er beinhaltete die gestalterische Grundlagenausbildung und findet sich in ähnlicher Form bis heute an zahlreichen Kunstschulen wieder.

Reproduktion und Kopie, Prototyp und Modell, Replik und Plagiat, Hommage und Persiflage: Fragestellungen nach der Bedeutung und Interpretation dieser mit dem Bauhaus assoziierten Begriffsfelder werden von den Autor:innen reflektiert. Davon ausgehend wird gekonnt ein neuer, kritischer Blick auf die Geschichte und die Rezeption des Bauhauses gelenkt und gleichermaßen die Aktualität von Bauhaus-Originalen unterstrichen: Wie verhalten sich Imitationen, Nachschöpfungen oder Rekonstruktionen zum Original? Wie viel Bauhaus-Remix steckt beispielsweise im Landhaus Ilse in Burbach?

„original bauhaus“ ist als intensive Beschäftigung mit der Bauhaus-Zeit zu verstehen und lässt die Lesenden an perspektivenreichen Auseinandersetzungen mit materiellen wie immateriellen Bauhaus-Originalen teilhaben. Der Ausstellungskatalog wird abwechslungsreich von den zwölf Autor:innen gestaltet, die in unterschiedlichen Herangehensweisen die Aktualität von Bauhaus-Originalen aufzeigen. Neben altbekannten Objekten wird auch unfertigen, unvollständigen Arbeiten Platz eingeräumt. Hier wird die bedeutende Einrichtung als das gezeigt, was sie in erster Linie war, als eine Kunstschule. Darüber hinaus erörtert „original bauhaus“ die Ambivalenz, mit der das Bauhaus dem Projekt Moderne Gestalt verliehen hat – zwischen Handwerk und Technik, Kunst und Gewerbe. Diese und viele andere Aspekte geben Anstoß zur erneuten, durchaus kontroversen Debatte mit dem Bauhaus und seinen Ideen. Letztendlich eröffnet das Buch eine entscheidende Fragestellung: Wie aktuell ist das Bauhaus und welche Relevanz hat es noch heute?