Über: Karl Gerstner – Programme entwerfen

Mit „Programme entwerfen“ publizierte Karl Gerstner 1964 einen essentiellen Beitrag, der bis heute den Gestaltungsdiskurs maßgeblich prägt. In vier Essays gegliedert, führt Gerstner in die programmatische Gestaltung als grundlegende Methodik ein. Statt Lösungen für Probleme, schlägt er „Programme für Lösungen“ vor: Das Programm als Rezept, Routine, Formel oder Arrangement. Ist ein Programm vorgegeben, so ergibt sich die Form als morphologisches Produkt, das sich beliebig neu kombinieren lässt. Es entsteht ein Pool, eine Gruppe von Lösungen, von denen idealerweise eine die Beste ist.

Anhand exemplarischer Beispiele illustriert er sein Vorgehen bei ausgewählten Arbeiten und zeigt die Möglichkeiten auf, die eine analytische Arbeitsweise bereithält. Gerstner führt unter anderem an die Überarbeitung der Schrift Akzidenz-Grotesk heran, in ähnlicher Aufarbeitung wie Adrian Frutigers Univers. Auch gibt er Leser*innen Handwerkszeug wie seinen morphologischen Kasten mit auf den Weg: Die Möglichkeit, sich vor der graphischen Umsetzung einer Arbeit auf Wortebene mit den Möglichkeiten der Gestaltung auseinanderzusetzen.

Anders als heute praktiziert, stellt er seine Variantenbildung der Umsetzung voraus. So befasst er sich in einem Kapitel ausführlich mit der Neukombination farbiger Quadrate. Er hält dazu an, sich mit der Gestaltung auf mehreren Ebenen auseinanderzusetzen. Aus dieser analytischen Variantenbildung entsteht das Grundgerüst der Arbeit, die – obwohl intuitiv aufgenommen – einer inneren Logik folgt.

Gerade im Zusammenhang mit dem, was wir heute als Programmieren verstehen – das Schreiben eines digitalen Codes – entwickelt Gerstners Werk eine durchaus aktuelle Relevanz. Das Annähern an die analoge Gestaltungspraxis auf analytischem Weg und die Schaffung eines allgemeingültigen Prinzips, Programme für Lösungen zu generieren.

Gerstners „Programme entwerfen“ ist deshalb zeitlos, weil es den Programm-Begriff ausgehend von einer analogen Praxis beleuchtet und dabei auf heutige, digitale Gestaltungsprozesse übertragbar bleibt.

ProgrammeEntwerfenSlide