Titelbild

Jill Senft im Interview

Knallige Farben, ausladende Figuren und ein gewisser Wortwitz: Jill Senfts Illustrationen, die man unter anderem in DIE ZEIT, der Süddeutschen Zeitung oder auf CROCS entdeckt, haben großen Wiedererkennungswert. Ihre universitäre Laufbahn beginnt an der Kunsthochschule Weißensee im Fachbereich Visuelle Kommunikation. An der Universität der Künste absolviert sie 2019 ihren Master und erhält in diesem Jahr die Meisterschüler:innen-Auszeichnung. Die Basics-Blog-Redaktion trifft Jill zu einem virtuellen Interview.

Basics Blog: Sowohl im Analogen als auch im Digitalen sieht man immer wieder Illustrationen von dir – und erkennt deinen besonderen Stil sofort. Wie hat sich dieser im Laufe der Jahre entwickelt?

Jill Senft: Während meines Bachelor-Studiums habe ich ein Auslandssemester in Belgien an der Luca School of Arts in Gent gemacht, wo ich sehr viel gemalt habe. Das hat mich total aus meiner Komfortzone gelockt und war ganz anders als das Zeichnen, das ich bereits aus meinem Studium in Weißensee kannte. Seitdem entwickle ich mich stets weiter. Künstler wie Diego Rivera, Konrad Klapheck, Neo Rauch oder auch Tino Sehgal beeinflussen meine Arbeiten sehr. Man neigt oft dazu, sich selbst zu wiederholen. Sei es aus Gewohnheit oder weil man das Gefühl hat, man hat seine künstlerische Position gefunden. Für mich ist es sehr wichtig, neue Sachen auszuprobieren und aus der Komfortzone auszubrechen. Das war glaube ich auch ein Grund, warum ich ins Dreidimensionale gehen wollte. Objekte aus Holz zu bauen oder mit einem 3D-Drucker zu arbeiten, empfinde ich als eine Art Weiterführung meiner bisherigen Arbeit. Ich fand es bereichernd, das zu erweitern. – Ich muss ja nicht immer gleich bleiben.

BB: Wie wählst du deine Motive aus?

JS: Besonders spannend finde ich den Kontrast zwischen grafischen Umgebungsformen und weichen Körpern; zumindest was die formale Herangehensweise betrifft. Bei der Themenauswahl sind es meistens spontane Eingebungen. Ich entdecke ständig und überall Themen oder ästhetische Ansätze, die mich interessieren. Sich zu konzentrieren und genauer hinzusehen, hilft mir persönlich sehr dabei in meiner illustratorischen Arbeit Geschichten zu erzählen. Es gibt viel zu entdecken. In meiner Masterarbeit ging es beispielsweise um eine fiktive Sammlung, das Thema finde ich sehr inspirierend. Sammlungen sind ein dankbares Thema. Beim Schreiben von Büchern muss man von Anfang bis Ende zwangsläufig einem Handlungsstrang folgen. Bei einer Sammlung kann man einfach aufhören, wenn man keine Lust mehr hat.

Bild 1

Fritteuse statt Tischkicker, Böll.Thema Magazin, 2020

BB: Und wie sieht dein Arbeitsplatz aus?

JS: Meistens arbeite ich im stillen Kämmerlein an meinem Schreibtisch oder auf Leinwand. Für dreidimensionale Projekte teile ich mir eine kleine Holzwerkstatt mit meinem Freund. Manchmal finde ich es tatsächlich ganz gut, dass man alleine vor sich hinarbeitet, ohne dass mir jemand die ganze Zeit über die Schulter schaut. Aber man braucht auch einfach immer den Austausch. Genau das fand ich an meiner Unizeit toll: viele Leute mit ähnlichen Interessen. Das war für mich rückblickend wohl fast das Wichtigste am Studieren.

BB: Arbeitest du auch kollaborativ an Projekten?

JS: Bei meinem Meisterschüler:innen-Projekt hat mir mein Freund beim 3D-Druck geholfen. Damit kam ich zuvor noch nie in Berührung. Das war mir anfangs sehr suspekt, nach einer kleinen Einführung finde ich es aber sehr spannend. Die Arbeit mit und für Magazine ist auch eine Art Kollaboration. Als Illustrator:in erfüllt man seine zugeschriebene Rolle, ist aber nicht alleinige Entscheidungsträger:in. Meetings mit Art-Direktor:innen oder der Bildredaktion bringen Feedback, das oft weiterhilft.

BB: Stehen sich dabei Spaß an der Arbeit und kommerzieller Erfolg manchmal im Weg?

JS: Spaß an der Arbeit zu haben, wird im kreativen Bereich oft missbraucht – vor allem was die Bezahlung betrifft. Am Ende des Monats muss schließlich die Miete bezahlt werden. Für Arbeiten Geld zu verlangen, ist allerdings ein Lernprozess, der Zeit braucht.
Im universitären Kontext ist das Feedback der Professor:innen und künstlerischen Mitarbeiter: innen oft konträr zu den eigenen Vorstellungen. Es ist meiner Meinung nach wertvoll, offen für Feedback zu sein. Man studiert in erster Linie für sich selbst. Ein eigener künstlerischer Standpunkt entwickelt sich jedoch nur durch den Austausch untereinander.

BB: Deine Arbeiten sind unter anderem in DIE ZEIT zu sehen. Wie ergeben sich verschiedene Aufträge?

JS: Das ergibt sich aus ganz unterschiedlichen Situationen heraus. Natürlich schickt man sein Portfolio mal rum und das führt dann zum ein oder anderen Auftrag, der dann wiederum zu anderen Aufträgen führen kann. Manchmal ist man aber auch einfach zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Ich habe zum Beispiel gegen Ende des Studiums angefangen, bei Wettbewerben und Ausschreibungen mitzumachen. Ich würde aber raten, solche Dinge nicht von Anfang an ins Auge fassen, sondern erstmal das Studium zu genießen. Man kommt ja nicht an die Uni und ist dann schon fertig. Man fängt gerade erst an. Es macht Sinn sich in mehreren Bereichen wie Illustration, Grafik, Design und Typografie auszukennen. Das geht schließlich alles Hand in Hand. Wenn man zum Beispiel ein Buch gestalten will, dann muss man auch wissen, wie man den Text setzt. Ich würde probieren, an der Uni so viel wie möglich mitzunehmen.

Bild 2

Die Sammlung Billy Besta, 2019

Bild 3

Die Sammlung Billy Besta, 2019

BB: Du hast bereits an der LUCA School of Arts, an der Kunsthochschule Weißensee und an der UdK studiert. Hast du an den verschiedenen Hochschulen unterschiedliche Erfahrungen gemacht?

JS: In Weißensee hab ich meinen Bachelor gemacht. Das war ein guter Ort, um mich auszuprobieren: Siebdruck, Radierung, Lithografie, Bleisatz, Keramik, — Lehre nach dem Vorbild des Bauhaus’. Im Auslandssemester in Belgien an der Luca School of Arts lag der Fokus dann eindeutig auf Illustration. Das Studium war viel schulischer aufgebaut als ich es gewohnt war. Einmal die Woche gab es einen verpflichtenden Aktzeichnen-Kurs. Das war eine Herausforderung. Dadurch habe ich aber wirklich viel gelernt. Dann kam der Master an der UdK in der Illustrationsklasse bei Prof. Henning Wagenbreth. Das war eine tolle Erfahrung. Der persönliche Austausch mit Prof. Henning Wagenbreth und Prof. Gabi Schillig – meine Zweitbetreuerin – hat mir sehr geholfen. Das hat mir einen anderen Blickwinkel auf meine Arbeiten gegeben.

BB: Du bezeichnest dich selbst als Illustratorin und Künstlerin. Gibt es einen Unterschied?

JS: Ich glaube, der Unterschied liegt hier: Im Gegensatz zur Arbeit als freie Künstlerin, mache ich als Illustratorin meist Auftragsarbeiten. Ich möchte aber nicht nur Illustratorin oder nur Künstlerin sein. Ich glaube das ist besonders an der UDK: Der künstlerische Anspruch ist sehr hoch. Man arbeitet nicht nur angewandt, sondern probiert vieles einfach aus.

Vielen Dank für das schöne Gespräch, Jill!